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Hallo Innovator! 🚀
Meine Heimat, das Rheinland, ist im jecken Ausnahmezustand 🤡 Die Tech-Welt auch, und zwar wegen des Releases der Apple Vision Pro. Schon zur Ankündigung im Sommer hatte ich analysiert, welche Wetten Apple mit der VR-Brille eigentlich eingeht. Den aktualisierten Text findest du in der heutigen Kolumne.
Viel Spaß mit der 104. Ausgabe von „Tech is Good“!
KOLUMNE
Die Reaktion auf die Ankündigung der Apple Vision Pro waren anders, als man sie von Apple-Produkten kennt – das habe ich gemerkt, als ich zusammen mit den App-Entwicklern von satellite die WWDC-Keynote verfolgt habe. Obwohl wir alle bekennende Apple-Fans sind, saßen wir nach der Vorstellung etwas ratlos auf meiner Terrasse. Hatten wir gerade Geschichte erlebt? Die meisten waren skeptisch. Und zwar nicht im Sinne von: „Ich glaube, die kaufe ich mir nicht“. Sondern im Sinne von: „Ich glaube, die würde ich nicht benutzen.“ Eine Zukunft, in der genauso viele Menschen eine VR-Brille nutzen wie heutzutage das iPhone, also eine Milliarde Nutzer – das ist sehr, sehr schwer vorstellbar.
Nun kann man die Apple Vision Pro kaufen und die meisten Rezensionen stimmen darin ĂĽberein, dass sie ein Wunderwerk ist, aber ihr Anwendungsfall unklar bleibt.
Hat Apple auch diesmal den richtigen Riecher? Die Antwort darauf kennt niemand. Aber um zumindest die Frage zu verstehen, muss man wissen, dass Apple mit der Vision Pro gleich zwei Wetten eingeht.
Apple hat für die Vision Pro alle „-R“-Begriffe, die seit Jahren durch die Techszene geistern (VR, MR, XR, AR), verworfen und stattdessen einen Begriff gewählt, der bislang akademischen Kreisen vorbehalten war: „Spatial Computing“, räumliches Computing. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Wortwahl, denn sie macht viel deutlicher, worum es geht: Wir schauen nicht mehr auf einen Bildschirm, sondern der Bildschirminhalt wandert in unsere Umgebung. Ob diese Umgebung virtuell ist (und was „virtuell“ eigentlich bedeutet) ist da zweitrangig – es geht um das Interface.
Interfaces gibt es jetzt schon so lange, dass sie uns gar nicht mehr auffallen. Sie stehen zwischen unseren Sinnesorganen und dem, was der Computer fĂĽr uns tut. Sie verwandeln unsere WĂĽnsche in Nullen und Einsen.
Computer-Interfaces wurden mit der Zeit immer zugänglicher und natürlicher – von abstrakter Maschinensprache, die nur Menschen mit ungewöhnlichen Fähigkeiten und Vorlieben beherrschen können, zu virtuellen Schreibtischen („Desktops“), die jeder versteht. Und unsere Hände rückten immer näher an dieses Interface heran: erst haben wir Tastaturen benutzt, dann Computermäuse und nun können wir die Anwendungen direkt anfassen.
Wo wird dieser Trend enden? Ganz einfach: Computer werden unsichtbar. Sie sind weiter da, aber sie reagieren auf Dinge, die wir ganz nebenbei machen (Sprachbefehle, einen Raum betreten, Gesten in der Luft, Zwinkern) oder die uns einfach passieren (Veränderungen in unserem Blut, der Raumtemperatur oder unserem Kalender). Das Ergebnis ist eine Art „Ambient Computing“ – so nannte es Tech-Journalist Walt Mossberg in seiner letzten Kolumne vor dem Ruhestand.
VR-Brillen und der zweite aktuelle Hype, KI-Chatbots, sind deswegen zwei Lösungen für die gleiche Aufgabenstellung. Spatial Computing will den Bildschirm abschaffen, Sprachassistenten den grafischen Schreibtisch.
Das heißt nicht, dass die Apple-Brille automatisch ein Erfolg sein wird und Spatial Computing die Zukunft. Es wäre nur eine logische Fortschreibung der Vergangenheit. Allerdings geht es Apple bei ihrem neusten Produkt nicht nur um die Räumlichkeit.
Nutzer der Vision Pro können den „Grad der Immersion“ einstellen. Wenn man die Brille aufsetzt, sieht man zunächst genau das, was man einen Moment zuvor auch gesehen hat: die reale Welt. Hinter dieser Funktion steckt ein schier unfassbarer Haufen Technik – und es hat eine gewisse Ironie, dass die meisten Durchbrüche der Vision Pro in einer Brille endeten, durch die man einfach hindurchschauen kann.
In diesem Standard-Modus kann die Brille für das genutzt werden, was im Allgemeinen als „Augmented Reality“ bezeichnet wird. Nutzer können sich zum Beispiel drei riesige Computerbildschirme auf den Schreibtisch stellen – Bildschirme, die in Wahrheit gar nicht da sind. So etwas kommt dem Anwendungsfall am nächsten, für den sich auch Tim Cook, Apple-CEO und bekennender VR-Skeptiker, erwärmen kann.
Doch die Brille bietet auch einen immersiven Modus. Hier taucht der Nutzer komplett in einer virtuellen Umgebung ab – „Be in the moment“ nennt Apple das auf der sehr sehenswerten Verkaufsseite. Diese Art der Anwendung nahm überraschend viel Platz in der Keynote ein – überraschend für mich, weil Apple ausschließlich die Anwendungsfälle präsentierte, mit denen VR-Brillen seit Jahren werben: Spiele, Filme und Meetings.
Ist es denkbar, dass in einer nicht mehr ganz fernen Zukunft täglich Milliarden Menschen „abtauchen“, entweder über die Apple Vision Pro und eine ihrer vielen Nachahmer? Niemand kann das sagen. Wir können nur sagen: es wäre eine Trendumkehr. Das Internet (oder gerne auch nostalgischer: der „Cyberspace“) waren für einen sehr kurzen Zeitraum ein Paralleluniversum. „Das ist eine Welt, die ich wirklich vermisse“, sagt die Journalistin Marie LeConte und spricht damit vielen Nerds aus der Seele. „Eine Welt, in der ich das Internet zurücklasse, wenn ich das Haus verlasse”. Diese Zeit ist vorbei. Nach LeContes Einschätzung sind seit dem Jahr 2020 Internet und Realität untrennbar miteinander verwoben. Heute tauchen wir nicht im Internet ab, sondern wir gehen so schnell rein und raus, dass manche von einer „Always on“-Mentalität sprechen. Doch wir sind nicht immer online, sondern nur sehr oft, bis zu 80-mal pro Tag. Und das dann sogar mehrmals gleichzeitig: während das TV läuft, schaut ein Viertel der deutschen Fernsehzuschauer gewohnheitsmäßig aufs Handy.
Der oben genannte Trend, dass Interfaces immer unsichtbarer werden, könnte sogar als Gegenbewegung zu mehr Immersion gesehen werden. Programmierer, die sich vor einen Computer setzen und stundenlang auf Code-Zeilen schauen, sind viel eher „im Tunnel“ als Smartphone-Nutzer, die eine App nach der anderen öffnen.
Aber könnte es nicht sein, dass wir uns gerade deswegen wieder danach sehnen, abzutauchen und „im Moment“ zu leben? Solche Sätze kenne ich von Verlegern, Theaterbetreibern und Filmregisseuren. James Cameron bezeichnete seinen Test der Vision Pro "als religiöse Erfahrung". Und natürlich, immer noch greifen Menschen zum Buch und gehen ins Theater oder Kino. Aber dass in Milliarden Menschen ein unbefriedigtes Bedürfnis nach absoluter Immersion steckt – das ist, Stand jetzt, Wunschdenken und keine Beobachtung.
All das muss nichts heißen. Apple hat es mehrmals geschafft, neue Nutzungsszenarien zu schaffen, von denen wir nicht wussten, dass wir nach ihnen verlangen. Allerdings hat auch Apple niemals eine Kehrtwende unserer Gewohnheiten geschaffen. Das wäre eine Premiere.
Wie schon bei vielen Produkten zuvor hält sich Apple mehrere Möglichkeiten offen. Die Vision Pro könnte ein High-End-Gerät für den geschäftlichen Kontext werden: zum Standardwerkzeug für virtuelle Meetings, Schulungen und Reparaturen. Sie könnte zum absoluten Gamer-Gadget werden. Sie könnte aber auch die Interaktion von Mensch und Maschine neu prägen – für einen Großteil der Weltbevölkerung.
Das Zeitalter der unsichtbaren Computer hat begonnen. Apple hat dieses Zeitalter nicht erfunden, aber entscheidend mitgeprägt. Welche Rolle wird die Vision Pro in diesem Zeitalter zukünftig spielen? Ich ende so, wie die meisten Analysen ehrlicherweise enden sollten: Ich habe keine Ahnung.
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